BEE Studie

Neues Strommarktdesign

Das heutige Strommarktdesign ist nicht in der Lage, den klimapolitisch notwendigen Ausbau Erneuerbarer Energien zu gewährleisten. Daher hat der Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE) eine durch die Fraunhofer Institute für Energiewirtschaft und Netzbetrieb (IEE) und Solare Energiesysteme (ISE) durchgeführte und von der Kanzlei Becker Büttner Held (BBH) juristisch geprüfte Studie vorgelegt.

01. Vorwort

von Dr. Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energie e.V. (BEE)

Mit der Wahl und Ernennung der neuen Bundesregierung steht Deutschland an einem Wendepunkt. Unter dem Titel „Mehr Fortschritt wagen“ möchte die Ampel-Koalition in den kommenden Jahren die Weichen für die Zukunft der Bundesrepublik stellen. Ein zentrales Thema zieht sich durch alle Bereiche der Koalitionsvorhaben: Klimaschutz und Energiewende. Insbesondere der Ausbau der Erneuerbaren Energien soll nun wieder beschleunigt werden und Deutschland auf seinen Pfad als Energiewendevorreiter zurückfinden.

Damit die Zielvorgabe von 80 Prozent Erneuerbarer Energien am Stromverbrauch im Jahr 2030 realistisch erreicht werden kann und die Erneuerbaren ihr riesiges Klimaschutzpotenzial voll entfalten können, braucht es neue Rahmenbedingungen für den Strommarkt. Das bisher auf fossile Energieträger ausgerichtete System muss sich auf Erneuerbare Energien einstellen – besonders auf hohe Mengen aus fluktuierenden Energien wie Sonne und Wind. Obwohl diese den Börsenstrompreis senken, fehlt eine betriebswirtschaftliche Grundlage und damit die Basis für den weiteren Ausbau Erneuerbarer Energien. Deswegen sind künftig Anreize für eine Flexibilisierung von Stromangebot und -nachfrage zu setzen und die stärkere Systemverantwortung von Erneuerbaren Energien zu nutzen. Dafür müssen steuerbare Elemente auf der Erzeuger-, aber auch auf der Verbraucherseite ausgebaut und zudem Sektorenkopplungstechnologien, Speicher, Lastmanagement oder Netzinfrastruktur ausgebaut werden. Die von der neuen Bundesregierung geplante Plattform „Klimaneutrales Stromsystem“ soll entsprechende Vorschläge bereits im Jahr 2022 erarbeiten.

Der Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE) legt mit seinen Fach- und Landesverbänden sowie weiteren 70 Unterstützern eine Studie vor, die durch die Fraunhofer Institute für Energiewirtschaft und Netzbetrieb (IEE) und Solare Energiesysteme (ISE) modellierte Maßnahmen aufzeigt, um den Herausforderungen eines immer stärker auf Erneuerbaren Energien fußenden Stromsystems Rechnung zu tragen – auch bei einem auf 2030 vorgezogenen Kohleausstieg. Dabei wurden sowohl betriebs- wie volkswirtschaftliche Aspekte betrachtet, um Versorgungssicherheit, Finanzierung der Erneuerbaren Energien und Umsetzung der Sektorenkopplung zu gewährleisten. Gleichzeitig zeigen die Berechnungen, dass die mit umfassender heimischer Wertschöpfung organisierte Energiewende nahezu ohne Importe umgesetzt und gleichzeitig die Klimaziele erfüllt werden können. Die in der Studie benannten Maßnahmen wurden durch die Kanzlei Becker Büttner Held (BBH) auf ihre national- wie europarechtliche Eignung geprüft. Begleitet wurde die Studie durch einen intensiven Diskurs mit Verbänden, Unternehmen der Erneuerbaren Energien, Netzbetreibern und Stromhändlern begleitet. Ihre Vorlage unterstreicht zugleich, dass die Erneuerbaren Branchen jetzt Verantwortung für das Gesamtsystem übernehmen wollen.

02. Unterstützer

Die Strommarktdesignstudie wurde im Auftrag des Bundesverbandes Erneuerbare Energie e.V. erstellt und in Zusammenarbeit mit Unterstützung von rund 70 Stakeholdern aus dem gesamten Energiebereich realisiert. Der BEE bedankt sich für die hervorragende Zusammenarbeit bei allen Unterstützern.

Ein besonderer Dank geht an die vier Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz, Tennet, TransnetBW und Amprion sowie an die Strombörsen EEX und EPEX für die separaten Workshops, um spezielle Fragestellungen der Studie zu erörtern und zu beantworten.

03. Hintergrund der Studie

Betriebswirtschaftliche Grundlage für Erneuerbaren Energien sicherstellen

Für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende müssen sich Investitionen in diese rechnen. Hierfür ist eine betriebswirtschaftliche Grundlage für Erneuerbare Energien zwingend notwendig.

Erneuerbare Energien können diese entweder außerhalb einer Förderung an der Strombörse mittels der Erlöse dort realisieren. Hierzu müssen diese Marktwerte oberhalb der Stromgestehungskosten der Erneuerbaren Energien liegen.

Eine zweite Möglichkeit besteht innerhalb einer Förderung über das EEG. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass in bestimmten Zeitfenstern innerhalb negativer Strompreise die eingespeisten Strommengen keine Förderung (z.B. die Marktprämie) erhalten.

Deutlicher Anstieg nicht vergüteter erneuerbarer Einspeisungsmengen gefährdet Erneuerbaren Ausbau

Im heutigen Strommarktdesign fehlen ausreichende Anreize für den Ausbau von Flexibilitäten.

Als Flexibilitäten sind Speicher, Verbraucher sowie Erzeuger zu verstehen, welche Ihre Betriebsweise oder ihr Verhalten an die Einspeisung der Erneuerbaren Energien anpassen können.

In der aktuellen Systematik kommt es aufgrund der inflexiblen Fahrweise fossiler Kraftwerke in Zeiten hoher erneuerbarer Einspeisung zu negativen Strompreisen an der Strombörse.

Die fehlende Förderung in solchen Zeiträumen (siehe §51 EEG) gefährdet den wirtschaftlichen Betrieb Erneuerbarer Anlagen. Dies begrenzt den klimapolitisch notwendigen Ausbau.

Der wirtschaftliche Ausbau Erneuerbarer Energien ist im heutigen Strommarktdesign gefährdet.

Starker Verfall der erneuerbaren Marktwerte gegenüber dem Marktniveau

Der für die Volkswirtschaft sehr positive Effekt der Marktpreissenkung („Merit Order Effekt“) durch die Erneuerbaren Energien führt ohne ausreichende Flexibilitäten zu sich stetig verringernden erneuerbaren Erlösen am Strommarkt.

Dies verursacht größer werdende Herausforderungen im langfristigen wirtschaftlichen Betrieb von Anlagen außerhalb einer Förderung.

Durch den vorzeitigen Rückbau von Altanlagen aufgrund fehlender Wirtschaftlichkeit kommt es zu einer Lücke im Ausbau der Erneuerbaren Energien.

Daher braucht es dringend ein neues Strommarktdesign, welches die Wirtschaftlichkeit der Erneuerbaren Energien sowie deren benötigte Flexibilitäten sicherstellt.

Das heutige Strommarktdesign führt zu stetig verringerten Erlösen für Erneuerbare Energien (außerhalb des EEG).

Die Märkte müssen sich nach den Erneuerbaren Energien und deren Flexibilitäten ausrichten

Innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte waren die Erneuerbaren Energien systemrelevant.

Zur Erreichung der Klimaziele muss das Ausbautempo der Erneuerbaren Energien in den kommenden Jahren vervielfacht werden.

Die Erneuerbaren Energien werden systemsetzend. Sie sind das zentrale Element in der Energieversorgung und übernehmen auch die wesentlichen Aufgaben im Energiebereich.

Daher müssen die Märkte sich an den Erneuerbaren Energien sowie an deren benötigten Flexibilitäten ausrichten.

Erneuerbare Energien werden systemsetzend. Die Märkte müssen sich daher nach ihnen ausrichten.

Eine erfolgreiche Energiewende lohnt sich für alle Akteure

Während viele Studien im Bereich der Transformation des Energiesektors bisher nur den volkswirtschaftlichen Rahmen betrachten, liegt der Fokus innerhalb dieser Studie auch auf der Sicherstellung des betriebswirtschaftlichen Rahmens.

Der Energiemarkt muss sich für alle Marktakteure lohnen.

  • Die Kosten der Stromproduktion müssen durch die Erlöse gedeckt werden.
  • Strom darf kein Luxusgut werden.
  • Die für die Energiewende benötigten Flexibilitäten müssen sich rechnen.
  • Die Versorgungssicherheit muss gewährleistet sein.

04. Aufbau der Studie

Analyse eines funktionierenden Strommarktes anhand von 2 Szenarien

Das Basisszenario stellt den heutigen regulatorischen Rahmen der Umsetzung zur Energiewende dar.

Aus den dabei entstehenden Problemen hinsichtlich der Finanzierbarkeit von EE und Flexibilitäten, werden Maßnahmen abgeleitet zur Anpassung des regulatorischen Rahmens.

Das Reformszenario erbringt den Nachweis über die Wirksamkeit und Umsetzungsfähigkeit der Energiewende in Deutschland.

Verzögerungen oder Begrenzungen beim Aufbau von notwendigen Flexibilitäten werden über gesonderte Analysen abgebildet. Dies dient der realeren Darstellung sowie dem Einflusses und der Notwendigkeit des Ausbaus von Flexibilitäten.

Beantwortung der drei Hauptfragen der Energiewende

Die Studie analysiert in den jeweiligen Szenarien auch die einzelnen Dekaden bis zum Jahr 2050.

Von zentraler Bedeutung ist die Erreichung der drei Hauptthemen zur erfolgreichen Umsetzung der Energiewende.

  • Ist zu jedem Zeitpunkt die Versorgungssicherheit gegeben?
  • Ist ein wirtschaftlicher Betrieb von Erneuerbaren Energien sowie deren benötigter Flexibilitäten sichergestellt?
  • Ist die Einbindung der anderen Sektoren (Wärme und Verkehr) in den Stromsektor erfolgreich umsetzbar?

Die Studie simuliert mehrere Dekaden und untersucht die Erreichbarkeit der drei Hauptthemen der Energiewende.

05. Ziele der Studie

Ziele der Strommarktdesignstudie

Die Strommarktdesignstudie behandelt die Betriebswirtschaftlichkeit der Erneuerbaren Energien und Flexibilitäten.

Sie betrachtet die zentralen Aspekte zur Versorgungssicherheit. Neben der stündlichen Lastdeckung und des Netzausbaus liegt der Fokus auf Lastgradienten und der Übernahme von Netzdienstleistungen durch Erneuerbare.

Zusätzlich wird auch die Finanzierung der Systemkosten analysiert sowie weitere Fragen zum Marktdesign. Hierzu zählen die Ausgestaltung eines Terminmarkts mit nur EE und die negativen Folgen einer potentiellen Aufsplittung der deutschen Strompreiszone auf die Ziele der Energiewende.

06. Maßnahmen

Übersicht über die getroffenen Maßnahmen im Reformszenario

Austauschen: Die gewählten Maßnahmen zum Anreiz von Flexibilitäten beziehen sich sowohl auf die Verbraucher (hellgrau), die Speicher (grau) als auch Erzeuger (dunkelblau).

Innerhalb der Verbraucherflexibilität liegt der Fokus auf der Senkung der Stromnebenkosten sowie auf der Einführung variabler Netzentgelte zum Anreiz des Stromverbrauchs in Zeitfenstern hoher erneuerbarer Einspeisung.

Die Speicherflexibilität soll über den Einsatz bivalenten Betriebs sowie über eine gesonderte Förderung für Heimspeicher angeregt werden.

Die Erzeugerflexibilität zielt zum einen auf die flexible Fahrweise der Bioenergie, zum anderen auf die Umstellung einer Zeit- in eine Mengenförderung für Erneuerbare Energien. Letzteres verhindert als nachgelagerte Flexibilität das Entstehen negativer Strompreise.

Die getroffenen Maßnahmen für eine Veränderung des Strommarktdesigns gewährleisten einen fünf Jahre früheren förderfreien Betrieb Erneuerbarer Energien und stellen zudem sicher, dass es nicht zu negativen Strompreisen und somit zu Erlösausfällen innerhalb der Förderung kommt.

07. Ergebnisse der Studie

Ergebnisse aus dem Basisszenario

Die Studie zeigt, dass der heutige regulatorische Rahmen (Basisszenario) nicht geeignet ist, den klimapolitisch notwendigen Ausbau der Erneuerbaren Energien wirtschaftlich zu realisieren.

Erst Mitte 2040 ist der förderfreie wirtschaftliche Rahmen am Strommarkt gegeben. Zusätzlich entstehen häufig negative Strompreise, welche vor allem in der PV zu massiven Erlösausfällen führen (siehe §51 EEG), die einen wirtschaftlichen Betrieb in Frage stellen.

Ergebnisse aus dem Reformszenario

Die getroffenen Maßnahmen für eine Veränderung des Strommarktdesigns gewährleisten einen fünf Jahre früheren förderfreien Betrieb Erneuerbarer Energien und stellen zudem sicher, dass es nicht zu negativen Strompreisen und somit zu Erlösausfällen innerhalb der Förderung kommt.

Heimisch umgesetzte Energiewende

Die Studie zeigt, dass Deutschland ausreichend Potential für Erneuerbare Energien besitzt, um die Erreichung der Klimaziele weitestgehend selbstständig zu schaffen.

Deutschland bleibt somit Stromexporteur und reduziert zeitgleich die Abhängigkeit von Energieimporten von anderen Staaten.

Ein weiterer wesentlicher Vorteil liegt in der Stärkung der heimischen Wirtschaft. Hierdurch können weitere positive Effekte auf dem Arbeitsmarkt erzielt werden.

Umsetzung einer erfolgreichen Energiewende

Damit die Energiewende ein Erfolgsprodukt wird, ist die Teilnahme vieler Akteure aus der Energiebranche wichtig.

Dabei muss sich diese Teilnahme an der Energiewirtschaft für alle Beteiligten lohnen, da andernfalls Investitionen in Erneuerbare Energien und der Ausbau benötigter Flexibilitäten nicht getätigt werden.

Einer der Studienschwerpunkte liegt daher in der Überprüfung und Sicherstellung eines betriebswirtschaftlichen Rahmens der Marktakteure.

Hohe Versorgungssicherheit mit Erneuerbaren Energien

Innerhalb der Strommarktdesignstudie des BEE wird der Kohleausstieg bereits auf 2030 vorgezogen.

Dabei belegt die Studie, dass mit dem Einsatz von Erneuerbaren Energien und Flexibilitäten im Energiesystem der Stromverbrauch in jeder Stunde sicher gedeckt werden kann.

Ein Vorziehen des Kohleausstiegs stellt somit bei einem verstärkten Ausbau der Erneuerbaren Energien und deren Flexibilitäten kein grundsätzliches Problem für den Energiesektor dar.

Versorgungssicherheit über Erneuerbare Energien

Wie in der Studie über alle Szenarien und alle Dekaden gezeigt, ist die heutige Versorgungssicherheit auch mit einer fast ausschließlich auf Erneuerbarer Energien ausgerichteten Stromwirtschaft sichergestellt.

Das zentrale Bindeglied sind die Flexibilitäten im Energiesystem. Diese kommen sowohl aus der Speicher-, der Verbraucher- als auch der Erzeugerebene und orientieren sich an der Stromproduktion der volatilen Erneuerbaren Energien (Wind, Solarenergie).

Zusätzlich ermöglicht die europäische Vernetzung und deren Strommengenaustausch über Ländergrenzen hinweg eine Art Flexibilität.

Risiken einer Aufsplittung der deutschen Strompreiszone

In Deutschland gibt es eine Strompreiszone. Zur Anreizung von regionalen Flexibilitäten gibt es Überlegungen, diese einheitliche Zone in viele kleine Strompreiszonen aufzusplitten.

Wie in der Studie gezeigt, wäre dies stark kontraproduktiv für die Umsetzung der Energiewende in Deutschland.

In Regionen mit aktuell viel Erneuerbaren Energien (z.B. Schleswig-Holstein) würde der Ausbau der Erneuerbaren Energien stark begrenzt werden.

In anderen Regionen (z.B. Baden-Württemberg) mit wenig Erneuerbaren Energien würde es potentiell zu starken Strompreisanstiegen kommen, was den Einsatz von Sektorenkopplungstechnologien erschwert.

Vorteile der Energiewende nutzen

Einer der zentralen Vorteile der Erneuerbaren Energien besteht darin, dass sie überall in Deutschland genutzt werden können. So ist es möglich, in großen Teilen Deutschlands, auch in Süddeutschland, Windenergieanlagen mit weit über 2.000 Volllaststunden zu betreiben.

Zudem bieten Erneuerbare-Energien-Anlagen ein hohes Maß an Skalierungsfähigkeit. Sie können von 200 Watt in einem Solarpanel bis hin zu über 100.000.000 Watt in großen Wind- und Solarparks betrieben werden.

Diese Anpassungs- und Einsatzfähigkeit ermöglicht den perfekten Rahmen zur lastnahen Stromproduktion. Mit deren Hilfe lässt sich der benötigte Netzausbau deutlich reduzieren bzw. lassen sich bei gleichem Netzausbauvolumen mehr Erneuerbare Energien integrieren.

Stabilität der Energiewende

Erneuerbare Energien senken mit ihrer Stromproduktion den Strompreis und somit ihren erzielbaren Marktwert.

Während der erste Effekt positiv für die deutsche Wirtschaft ist, führt letzterer zu schwierigen wirtschaftlichen Rahmen für Erneuerbare Energien und somit zu einem begrenzenden Faktor im Ausbau.

Damit der wirtschaftliche Betrieb von Erneuerbaren Energien sichergestellt werden kann, bedarf es ausreichender Flexibilität in entsprechender Höhe zu einem bestimmten Zeitpunkt.

Es ist daher von zentraler Bedeutung, dass der Ausbau von Erneuerbaren Energien mit dem zeitgleichen Ausbau von Flexibilitäten mitgeplant und umgesetzt wird.

Sektorenkopplung und Flexibilitäten – Schlüssel der Wirtschaftlichkeit Erneuerbarer Energien

Um die Wirtschaftlichkeit Erneuerbarer Energien zu gewährleisten, bedarf es einem hohem Maß an Flexibilität in der Energiebranche. Die Studie zeigt, dass dieses Ziel bereits ab 2040 durch ausreichende Flexibilitäten erreichbar wäre.

Die Sektorenkopplung ermöglicht eine einfache Aktivierung solcher Flexibilitäten. So können sich Elektrolyseure mit Hilfe ausreichender Gasspeicher fast vollständig an der dargebotsabhängigen Einspeisung Erneuerbarer Energien orientieren. Auch die Umwandlung in Wärme (Power2Heat) ermöglicht durch Nutzung von Wärmespeicher (Gebäudehülle, Wassertanks, usw.) ein auf die Erneuerbare Einspeisung ausgerichtetes Verbrauchsverhalten.

Es entsteht eine „Win-Win“ Situation: Erneuerbare Energien werden wirtschaftlich und die Sektorenkopplung erhält günstige, grüne Strommengen.

Mengenförderung statt festen Förderzeitraum

Wie in der Studie im Basisszenario gezeigt, verbleiben selbst unter Ausnutzung aller betriebswirtschaftlich aktivierbaren Flexibilitäten aus der Verbraucher- und Speicherebene mehrere hundert Stunden mit negativen Strompreisen.

Diese negativen Strompreise verursachen aufgrund der fehlenden Förderung in diesen Zeitfenstern ein hohes Risiko für den Ausbau Erneuerbarer Energien.

Zur Verhinderung negativer Strompreise ist es notwendig, dass Erneuerbare Energien selbst als letzte und nachgelagerte Flexibilität agieren. Dafür muss der bisherige feste Förderzeitraum von 20 Jahren in eine Mengenförderung überführt werden. So können temporär reduzierte Einspeisungen zur Stabilisierung der Strompreise kostenneutral für Betreiber nachgeholt werden.

Der Vorteil der Diversität

Wie in der Studie gezeigt wird, ist der Bedarf an H2-Gasturbinen in Deutschland für die Versorgungssicherheit gering.

Während im Basisszenario erst sehr spät (zwischen 2040 und 2050) etwa 10 GW an H2-Gasturbinenleistung benötigt werden, kann dies im Reformszenario der Studie auf etwa 0,1 GW reduziert werden.

Hierbei nutzt die Studie ein breites Portfolio an anderen steuerbaren Erzeuger (Bioenergie, KWK, Speicher).

Die Studie zeigt einen Gegenvorschlag zu anderen Studien auf, die sich statt auf eine breite Nutzung steuerbarer Erzeuger stark auf eine hohe H2-Gasturbinenleistung konzentrieren. Letzteres bedingt neben dem Neubau solcher Kraftwerke auch hohe Investitionen in die Infrastruktur (u.a. in H2-Gasleitungen).

Erzeugungsnahe Stromproduktion zur Kostensenkung

Erneuerbare Energien haben wie keine andere Technologie die Möglichkeit, dezentral und verbrauchsnah Strom zu produzieren.

Zusätzlich bieten Erneuerbare Energien das größte Leistungsspektrum in der Energieerzeugung. Von wenigen Watt eines Solarmoduls auf dem Dach bis hin zu großen Wind- und Solarparks im Bereich von über 100 MW kann sich die Erneuerbare Erzeugung an die Gegebenheiten anpassen.

Die Anpassungsfähigkeit sowie die dezentrale, verbrauchsnahe Stromproduktion ermöglichen starke Einsparungen im Netzbetrieb.

Ein entscheidender Faktor ist die Wasserstoffproduktion. Diese sollte erzeugungsnah an Standorten der Erneuerbaren Energien entstehen und sich in ihrem Stromverbrauch an der Einspeisung der EE orientieren. Dies spart sowohl unnötigen Netzausbau, als auch kostenintensive Redispatchkraftwerke.

Bessere Integration Erneuerbarer Energien

Ein wesentlicher Faktor für eine erfolgreiche Energiewende besteht in der Integration Erneuerbarer Energien.

Durch eine verbrauchsnahe erneuerbare Stromproduktion sowie die Ausrichtung von großen neuen Stromverbrauchern (u.a. Wasserstoffproduktion) auf die erneuerbare Einspeisung wird eine optimale erneuerbare Integration ermöglicht.

Die Studie konnte zeigen, dass trotz deutlich größerer erneuerbarer Installation und Stromproduktion der Gesamtnetzzubaubedarf im Jahr 2030 in einer ähnlichen Größenordnung liegt wie im Netzentwicklungsplan.

Dies unterstreicht den ökologischen, aber auch monetären Wert einer sinnvoll ausgestalteten Energiewende.

Erweiterung von Freiheitsgraden in der Netzbetriebsführung zur Kostensenkung

Um ein Stromnetz zu betreiben, ist eine Netzbetriebsführung von zentraler Bedeutung. In dieser werden u.a. das Hoch- und Runterfahren regionaler Kraftwerke zur Netzentlastung (Redispatch) umgesetzt.

Diese Netzentlastung kann auch durch andere Maßnahmen erfolgen.

Beispielsweise kann die Einbindung von Verbrauchern in die Netzbetriebsführung (u.a. Elektrolyseure, PtH Anlagen, usw.) die Kosten der Netzbetriebsführung langfristig (Dekade 2050) um jährlich mehrere Milliarden Euro senken.

Kurzfristige Kostensenkung in der Netzbetriebsführung

Wie innerhalb der Studie gezeigt, können u.a. aufgrund der verbrauchsnahen Stromerzeugung sowie durch die zusätzlichen Freiheitsgrade im Netzbetrieb die im Basisjahr 2020 entstandenen Kosten in Höhe von fast 1,4 Mrd. € im Jahr 2030 auf unter 0,3 Mrd. € gesenkt werden.

Das entspricht einer Kostenreduktion um über 70 Prozent.

Sichere Abschaltung aller Kohlekraftwerke bis 2030

Die vorliegende Studie hat bereits per Vorgabe in den Simulationen den Ausstieg aus der Kohleenergie zum Jahr 2030 vorgezogen.

Somit wird in keinem der Szenarien und in keiner Dekade Kohlestrom aus Deutschland eingesetzt. Dennoch zeigt die Studie eine gleichbleibend hohe Versorgungssicherheit wie heutzutage.

Um Kohlekraftwerke sicher abzuschalten, bedarf es neben der Bereitstellung ihrer Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien auch der Übernahme ihrer Netzdienstleistungen (u.a. Frequenz- und Spannungshaltung).

Ein Vorziehen des Kohleausstiegs auf das Jahr 2030 ist somit sicher möglich!
Marktebene vs. Netzebene

Für den sicheren Betrieb eines Stromsystems ist die sekündliche Übereinstimmung zwischen Stromerzeugung und -verbrauch von zentraler Bedeutung. Diese Aufgabe übernehmen die Netzbetreiber.

Im Strommarkt selbst gibt es hingegen nur die Pflicht einer ¼-stündlichen ausgeglichenen Bilanz.

Diese zeitliche Diskrepanz zwischen der Netz- und der Marktebene führt zu größeren Herausforderungen in der Zukunft. Kurzfristige Schalthandlungen im Strommarkt , welche in der ¼-Bilanz kaum nennenswerte Probleme darstellen, können netztechnisch massive Probleme verursachen.

Daher ist es zwingend notwendig, für diese Herausforderungen geeignete Flexibilitäts- maßnahmen für die Netzbetreiber zu etablieren, um darauf reagieren zu können.

Abschaffung des §51 EEG 2021

Das zeitgleiche Abregeln von Erneuerbaren Energien, welches unter anderem durch § 51 EEG 2021 politisch angeregt wird, kann starke Lastschwankungen im Netz verursachen.

Wie in dieser Studie gezeigt wird, würde bereits eine Lastschwankung von 6 GW (Nettowirkung) zu massiven Netzproblemen (Frequenzabfall unter 49 Hz) führen.

Daher ist der §51 EEG 2021 abzuschaffen. Weitere Flexibilitäten im Netzbetrieb aufgrund anderer gleichzeitiger Schalthandlungen (u.a. Sektorenkopplung) sind auszubauen.

Der § 51 EEG 2021 kann durch die zeitgleich angeregte Abregelung zukünftig zu starken Netzproblemen führen und ist dringend abzuschaffen.

Hohes heimisches Wasserstoff-Potenzial

Die BEE-Strommarktdesignstudie belegt, dass kein zwingender Import von grünem Wasserstoff zur direkten Nutzung für Deutschland stattfinden muss.

Die heimische Wasserstoffproduktion im Jahr 2050 übersteigt deutlich den inländischen Wasserstoffbedarf.

Auch der PtL-Importbedarf kann anders als in den BMWI-Langfristszenarien oder bei AGORA Energiewende aufgezeigt, aufgrund der zusätzlichen, heimischen Wasserstoffproduktion um mehr als 50 Prozent reduziert werden.

Die Studie zeigt somit eine starke Reduktion der Abhängigkeit von anderen Staaten zur Erreichung der Klimaziele.

08. Kernergebnisse

Die BEE Strommarktdesignstudie belegt die national umsetzbare Energiewende
mit Steigerung der Wertschöpfung in Deutschland.

Die Umsetzung der Energiewende unter weitgehender Nutzung heimischer Potentiale ist zentraler Ansatz der Studie, da sie Deutschlands Importabhängigkeit reduziert und zeitgleich die regionale Wertschöpfung steigert.

Zur Realisierung dieses Rahmens ist ein hoher Erneuerbaren-Ausbau in Deutschland von zentraler Bedeutung. Damit einhergehend ist gleichzeitig der forcierte Ausbau von PtH und Elektrolyse im Inland notwendig. Dies realisiert die notwendige Sektorenkopplung und wirkt gleichzeitig marktstabilisierend für die Erneuerbaren Energien.

Der Kohleausstieg kann bei gleichbleibender Versorgungssicherheit wie im heutigen Rahmen zum Jahr 2030 vorgezogen werden.

Aufgrund flexibel eingesetzter Bioenergie (u. a. mit Kopplung an die Gasspeicher) sowie des Einsatzes elektrischer Speicher konnte im Reformszenario zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit fast vollständig auf den Einsatz von H2-Gasturbinen verzichtet werden. Dies reduziert den benötigten Transformationsrahmen der deutschen Energielandschaft und ermöglicht die Verlagerung des dort ansonsten eingesetzten Wasserstoffs in andere Bereiche.

Über die getroffenen Maßnahmen im Reformszenario ist es möglich, die Marktwerte der Erneuerbaren Energien deutlich zu erhöhen. Dies senkt die Differenzkosten der Erneuerbaren Energien in den kommenden Jahrzehnten stark und ermöglicht zugleich einen förderfreien Finanzierungsrahmen voraussichtlich ab dem Jahr 2040.

Zusätzlich können im Reformszenario über die getroffenen Maßnahmen negative Strompreise vollständig verhindert werden, was die Wirtschaftlichkeit Erneuerbarer Energien innerhalb der Förderung und somit deren klimapolitisch notwendigen Ausbau sicherstellt.

Die vorliegenden Ergebnisse der Studie zeigen Lösungen auf, die durch die Langfristszenarien des BMWi nicht abgedeckt werden. Dies liegt an zu geringen Annahmen für den Erneuerbaren-Ausbau innerhalb der Langfristszenarien sowie an der Vorgabe, die energetische Nutzung der Bioenergie bis 2050 sehr stark zu begrenzen. Zusätzlich gehen die BMWi-Langfristszenarien davon aus, dass große Erzeugungskapazitäten für den deutschen Markt in anderen Ländern aufgebaut werden. Daher sind die Langfristszenarien des BMWI zur Abbildung des Lösungsraums zur Umsetzung der Energiewende um ein weiteres Hauptszenario, ähnlich dem Rahmen dieser Studie, zu erweitern.

Erhebliche Einsparungen im Netzbetrieb in einem langfristigen Zeitraum lassen sich durch eine dezentrale, bürgernahe erneuerbare Erzeugung sowie mit erzeugungsnaher Wasserstoffproduktion, welche auf die Residuallast ausgerichtet ist, ermöglichen.

Die Marktfähigkeit der volatilen Erneuerbaren Energien ist mithilfe von marktstabilisierenden Faktoren der Sektorenkopplung (PtH, Elektrolyseure, Wärme usw.) bereits ab 2040 möglich.

Der Einfluss eines geringeren Ausbaus an Flexibilitäten wirkt sich stark auf die Ergebnisse aus. Bereits ein um 15% geringerer Flexibilitätsausbau als im Optimum vorgesehen führt zu einer signifikanten Reduktion des Marktwertes der Erneuerbaren Energien. Dies verursacht Mindererlöse im Markt in Höhe von mehreren Milliarden Euro pro Jahr. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass für den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien gleichzeitig die jeweils benötigte Flexibilität in Kapazität und Zeitrahmen bestimmt und umgesetzt wird.

Eine weitere Reduzierung der Flexibilitäten über eine künstliche Begrenzung der in Deutschland errichteten Elektrolyseurleistung auf 50 GW (mittlerer Ausbaurahmen der Langfristszenarien) würde zu einer weiteren deutlichen wirtschaftlichen Verschlechterung für Erneuerbare Energien innerhalb der Rahmenbedingungen dieser Studie führen und somit den klimapolitisch notwendigen Erneuerbaren-Ausbau begrenzen.

Innerhalb der Netzberechnungen konnte gezeigt werden, dass ein sicherer Netzbetrieb im Stromsektor durch Erneuerbare Energien und Flexibilitäten sichergestellt werden kann.

Der Gesamtzubau-Bedarf im Netzbereich im Jahr 2030 entspricht einer ähnlichen Größenordnung wie im Netzentwicklungsplan 2019, trotz einer deutlich größeren Installation der Erneuerbaren Energien innerhalb dieser Studie.

Die Kosten des Netzbetriebs im Szenariojahr 2030 können gegenüber dem Jahr 2020 um über 70 % gesenkt werden.

Aufgrund der zusätzlichen Freiheitsgrade in der Netzbetriebsführung im Reformszenario kann vor allem die Verbraucherseite hierfür genutzt werden. Dies erhöht die Integration der Erneuerbaren Energien und reduziert gleichzeitig die jährlichen Kosten im Netzbereich in der Dekade 2050 um mehrere Milliarden Euro.

Die im Basisszenario, ähnlich wie im Netzentwicklungsplan, vorgesehenen Elektrolyseure in Süddeutschland verursachen für die optimierte Netzbetriebsführung eine zusätzliche steuerbare Erzeugerleistung (u. a. Gasturbinen). Dies verursacht jährliche Zusatzkosten in Milliardenhöhe gegenüber dem Reformszenario. Dies unterstreicht die volkswirtschaftliche Notwendigkeit der im Reformszenario getroffenen Maßnahme, ausschließlich Elektrolyseure in Norddeutschland zu errichten.

Die Bereitstellung gesicherter Leistung für die Versorgungssicherheit wird innerhalb der Studie über KWK-Anlagen, Bioenergie, steuerbare Wasserkraftanlagen und H2- Gaskraftwerke realisiert. Innerhalb des Reformszenarios kann aufgrund einer größeren Leistungsüberbauung der Bioenergie fast vollständig auf H2-Gaskraftwerke verzichtet werden.

Die Übernahme der Systemdienstleistungen heutiger fossiler Kraftwerke ist über den Einsatz Erneuerbarer Energien sowie von Flexibilitäten umsetzbar. Eine sichere Abschaltung fossiler Kraftwerke ist somit realisierbar.

Der Herausforderung starker regionaler Stromgradienten auf den Netzbetrieb, unter anderem hervorgerufen durch den §51 EEG 2021, ist frühzeitig mit geeigneten Flexibilitätsmaßnahmen zu begegnen.

Die BEE Strommarktdesignstudie belegt, dass kein zwingender Import von grünem Wasserstoff zur direkten Nutzung für Deutschland stattfinden muss. Auch der PTL-Importbedarf kann ggü. den BMWI Langfristszenarien bzw. AGORA Energiewende um mehr als 50% reduziert werden.